Neurodynamics

Neurodynamics

Die Gruppe Neurodynamics erforscht die funktionelle Rolle neuronaler Dynamik.

Selektive neuronale Synchronisation für selektive Aufmerksamkeit

Neuronale Dynamik wie neuronale Rhythmen und deren Synchronisation sind wahrscheinlich für wichtige kognitive Funktionen verantwortlich (1, 2). Eine zentrale kognitive Funktion ist die selektive Aufmerksamkeit. Selektive Aufmerksamkeit ist wichtig, wenn ein bestimmter Reiz aus mehreren gleichzeitig vorhandenen Reizen ausgewählt werden muss. Diese verschiedenen Reize induzieren im frühen visuellen Kortex unterschiedliche Rhythmen, und nur der Rhythmus, der durch den beachteten Reiz ausgelöst wird, versetzt höhere visuelle Areale in Synchronisation (3-5). Diese Synchronisation führt zu einer Ausrichtung der rhythmischen Empfindlichkeitsschwankungen der höheren Areale speziell auf den rhythmischen Input, der den beachteten Reiz vermittelt. Auf diese Weise wird der beachtete Reiz selektiv und effizient übertragen, während unbeachtete Reize nicht übertragen werden. Im Wesentlichen wird nur der beachtete Reiz in den höheren Arealen repräsentiert und beeinflusst die bewusste Wahrnehmung und das Verhalten (6).

„Communication through Coherence“ (CTC)

Diese selektive Kommunikation durch selektive neuronale Synchronisation wurde als "Kommunikation durch Kohärenz", im Englischen „Communication through Coherence“ oder CTC bezeichnet (1, 7). Ein zentraler Aspekt von CTC ist, dass die neuronale Synchronisation eine Teilmenge aller strukturellen anatomischen neuronalen Projektionen effektiv und eine andere Teilmenge ineffektiv macht. Allgemeiner ausgedrückt: CTC konfiguriert die gesamte Menge aller strukturellen anatomischen Projektionen und bestimmt dynamisch und flexibel die momentane Teilmenge der effektiven Projektionen.

Frequenzbänder für Feedforward- und Feedback-Kommunikation

Projektionen zwischen kortikalen Arealen können als vorwärtsgerichtet, englisch feedforward, oder rückwärtsgerichtet, englisch feedback, klassifiziert werden, je nachdem, ob sie von niedrigeren zu höheren Arealen oder umgekehrt projizieren. Interessanterweise wird die Kommunikation in beide Richtungen von CTC in unterschiedlichen Frequenzbändern unterstützt (8-10). Das Gamma-Band, zwischen 40 und 90 Hz, dient in erster Linie der Feedforward-Kommunikation, während das Beta-Band, zwischen 15 und 30 Hz, in erster Linie der Feedback-Kommunikation dient. Feedforward-Kommunikation wird mit der Weiterleitung neuer Informationen in Verbindung gebracht, die nicht vorhergesagt werden konnten, während Feedback-Kommunikation Vorhersagen vermittelt, die auf der Integration früherer Informationen basieren (11). Liegen keine neuen Informationen vor, ist die Feedback-Kommunikation wahrscheinlich wichtig für die Stabilisierung von Zuständen (12).

Rhythmen für Bewegung oder zur Stabilisierung der Körperhaltung

Diese CTC-Prinzipien gelten über die visuellen Hirnareale und die visuelle Aufmerksamkeit hinaus, z. B. für die Bewegungskontrolle durch die motorische Hirnrinde. Die motorische Hirnrinde synchronisiert sich mit dem Rückenmark und den entsprechenden Muskeln sowohl im Gamma- als auch im Beta-Band (13). Die Beta-Synchronisation ist stark, wenn ein motorischer Zustand aufrechterhalten wird, der im motorischen System einer Körperhaltung entspricht. Wird hingegen eine Körperhaltung aufgegeben, um eine neue Bewegung auszuführen, nimmt die Beta-Synchronisation ab und wird durch Gamma-Synchronisation ersetzt. Die relative Stärke der Gamma- gegenüber der Beta-Synchronisation vor einem "Go"-Signal sagt die Schnelligkeit voraus, mit der die Antwort auf das Signal gegeben wird.

Von der Grundlagenforschung zu medizinischen Anwendungen

In der Neurodynamics-Gruppe untersuchen wir die Übertragung dieser Erkenntnisse auf weitere kognitive und emotionale Vorgänge. Eine zentrale Operation von Interesse ist die Entscheidung zwischen Annäherungs- und Vermeidungsverhalten, die für die Suche nach Belohnung von großer Bedeutung ist. Wir stellen die Hypothese auf, dass diese Operation auch mit der rhythmischen Synchronisation in verschiedenen Frequenzbändern verbunden ist. Dies könnte eine Tür zu therapeutischen Anwendungen öffnen, da Annäherungs- und Vermeidungsprozesse bei Depressionen und Angstzuständen eine zentrale Rolle spielen.

Referenzen

References

1. Fries P. Rhythms for Cognition: Communication through Coherence. Neuron 88: 220-235, 2015.

2. Fries P. Rhythmic attentional scanning. Neuron 111: 954-970, 2023.

3. Bosman CA, Schoffelen JM, Brunet N, Oostenveld R, Bastos AM, Womelsdorf T, Rubehn B, Stieglitz T, De Weerd P, and Fries P. Attentional stimulus selection through selective synchronization between monkey visual areas. Neuron 75: 875-888, 2012.

4. Womelsdorf T, Fries P, Mitra PP, and Desimone R. Gamma-band synchronization in visual cortex predicts speed of change detection. Nature 439: 733-736, 2006.

5. Fries P, Reynolds JH, Rorie AE, and Desimone R. Modulation of oscillatory neuronal synchronization by selective visual attention. Science 291: 1560-1563, 2001.

6. Rohenkohl G, Bosman CA, and Fries P. Gamma Synchronization between V1 and V4 Improves Behavioral Performance. Neuron 100: 953-963 e953, 2018.

7. Fries P. A mechanism for cognitive dynamics: neuronal communication through neuronal coherence. Trends in cognitive sciences 9: 474-480, 2005.

8. Bastos AM, Vezoli J, Bosman CA, Schoffelen JM, Oostenveld R, Dowdall JR, De Weerd P, Kennedy H, and Fries P. Visual areas exert feedforward and feedback influences through distinct frequency channels. Neuron 85: 390-401, 2015.

9. Michalareas G, Vezoli J, van Pelt S, Schoffelen JM, Kennedy H, and Fries P. Alpha-Beta and Gamma Rhythms Subserve Feedback and Feedforward Influences among Human Visual Cortical Areas. Neuron 89: 384-397, 2016.

10. Vezoli J, Vinck M, Bosman CA, Bastos AM, Lewis CM, Kennedy H, and Fries P. Brain rhythms define distinct interaction networks with differential dependence on anatomy. Neuron 109: 3862-3878 e3865, 2021.

11. Bastos AM, Usrey WM, Adams RA, Mangun GR, Fries P, and Friston KJ. Canonical microcircuits for predictive coding. Neuron 76: 695-711, 2012.

12. Engel AK, and Fries P. Beta-band oscillations--signalling the status quo? Current opinion in neurobiology 20: 156-165, 2010.

13. Schoffelen JM, Oostenveld R, and Fries P. Neuronal coherence as a mechanism of effective corticospinal interaction. Science 308: 111-113, 2005.

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